Q&A: Wird der Goldpreisanstieg anhalten?
James Luke erklärt, welche Auswirkungen russische Sanktionen und Zinserhöhungen der US-Notenbank Fed auf Gold haben und wie sich das Edelmetall weiterentwickeln könnte.
Die Goldpreise befinden sich seit Mitte Januar in einem Aufwärtstrend, der sich nach dem schockierenden Einmarsch Russlands in die Ukraine Ende Februar stark beschleunigte, als die Anleger scharenweise in vermeintlich sichere Anlagen flüchteten.
Wir haben mit James Luke, Commodities Fund Manager, gesprochen, um mehr darüber zu erfahren, wie sich Gold entwickelt und wie die Zukunft für das Edelmetall aussehen könnte.
Wie wirken sich Sanktionen auf die Nachfrage und das Angebot von Gold aus?
„Ich glaube nicht, dass Sanktionen gegen bestimmte russische Einzelpersonen oder Unternehmen einen grossen Einfluss auf die Goldnachfrage haben werden. Man könnte argumentieren, dass ein Teil des Reichtums der Oligarchen in Gold verlagert werden könnte oder dass russische Goldproduzenten – die einen beträchtlichen Anteil an der globalen Produktion haben – Schwierigkeiten haben könnten, Gold auf den westlichen Märkten zu verkaufen. Aber ich denke, dass diese Auswirkungen im globalen Kontext ziemlich marginal sind.
Was mittelfristig bedeutsamer sein könnte, sind die Folgewirkungen der beispiellosen Sanktionierung der Devisenreserven der russischen Zentralbank. Diese stellen das Notfallpolster einer Volkswirtschaft dar. Wenn sich Russland nicht mehr auf diese Reserven verlassen kann, werden auf lange Sicht auch andere Zentralbanken überdenken, wie eine sichere Vermögensaufteilung dieser Reserven aussehen sollte.
Im Grossen und Ganzen halten viele Zentralbanken der Schwellenländer weniger als 5 % ihrer gesamten Devisenreserven in Gold – sie halten hauptsächlich US-Dollar und andere wichtige Währungen. Die grosse Frage ist, ob ein Teil dieser Reserven seinen Weg auf den Goldmarkt finden könnte, wenn die Zentralbanken versuchen, sich zu diversifizieren. Wenn Länder wie China, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Brasilien und andere damit beginnen würden, ihre Allokation in Richtung des 20-%-Marktes zu verschieben, den grosse Besitzer wie Russland bereits haben, wären die Auswirkungen auf den Goldmarkt erheblich. Gold ist zu aktuellen Preisen ein kleiner Markt.
Insgesamt haben wir bereits vor der Invasion eine deutliche Trendwende bei der privaten Investitionsnachfrage nach Gold gesehen, insbesondere aus Nordamerika und Europa. Wir rechnen damit, dass dieser Trend anhält. Daher ist nun eine grosse private wie auch öffentliche (zentralbankseitige) Nachfrage nach Gold viel wahrscheinlicher.“
Inwiefern steht die steigende private Nachfrage damit im Zusammenhang, dass Anleger infolge des Krieges in der Ukraine auf vermeintlich sichere Vermögenswerte umsteigen? Und inwieweit ist sie mit den möglichen Folgen des Zinserhöhungszyklus der Fed verbunden?
„Seit Ende Januar sind die gesamten bekannten Bestände an physisch hinterlegten börsengehandelten Goldfonds (ETFs) deutlich gestiegen, was sich nach der Invasion in der Ukraine noch intensiviert hat.
Man kann also durchaus sagen, dass die Invasion selbst wahrscheinlich einige dieser Trends angestossen hat. Jedoch denke ist, dass auch die Aussage, dass viele dieser Trends bereits im Gange waren, berechtigt ist. Im Allgemeinen neigen die Goldpreise bei solchen geopolitischen Schocks zu sprunghaften Anstiegen, die jedoch normalerweise nicht lange anhalten.
Ich halte es für wahrscheinlicher, dass die grössten Umschichtungen auf dem Goldmarkt aus dem privaten Sektor fast ausschliesslich mit den enormen Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Zinserhöhungszyklus der Fed zu tun haben, da die Gefahr unbeabsichtigter Folgen für das Wirtschaftswachstum oder die Finanzmärkte besteht. Als Reaktion auf die Covid-19-Pandemie haben die Staaten beispiellose geld- und fiskalpolitische Anreizmassnahmen ergriffen. Jedoch muss beachtet werden, dass die Fed seit 2008 jedes Mal, wenn sie versucht hat, die geldpolitischen Anreize zurückzunehmen, vom Markt gezwungen wurde, ihren Kurs zu ändern. Damit rechnen wir auch dieses Mal. Es ist eine grobe Analogie, aber die Wirtschaft ist wie ein Patient, dem riesige Mengen an Medikamenten verabreicht wurden, um ihn durch eine Krisenzeit zu bringen. Wenn man diese Medikamente plötzlich absetzt, sind ernst zu nehmende Entzugserscheinungen nahezu garantiert.“
Manche glauben, dass die Fed die Zinsen allein im Jahr 2022 achtmal erhöhen könnte. Halten Sie das für möglich?
„Wenn die Inflation wie erwartet hoch bleibt und die Beschäftigung in den USA immer noch robust ist, dann ist die Mission der Fed ziemlich eindeutig, nämlich die Inflation zu bekämpfen. Wir werden also wahrscheinlich kurzfristig Zinserhöhungen erleben, was der Markt, wie Sie sagen, bereits einpreist. Allerdings dürfte die Fed diese Zinsschritte wohl kaum vornehmen können, ohne dass dadurch signifikante negative Rückkopplungsschleifen in zinssensitiven Teilen der Wirtschaft wie dem Immobilienmarkt entstehen.
Sorgen bereiten uns auch Berichte über schlechte Liquiditätsbedingungen an den Treasury-Märkten, die bereits entstehen, bevor die Fed überhaupt begonnen hat, ihre eigenen Treasury-Bestände (die durch quantitative Lockerungsprogramme aufgebaut wurden) abzubauen. Das sollen die tiefsten und liquidesten Märkte der Welt sein.
Die Frage ist, ob sich die Fed aus Treasuries zurückziehen kann, ohne ungeordnete Marktbedingungen auszulösen. Wir schätzen die Wahrscheinlichkeit eines solchen Szenarios als viel höher ein als der Markt. Unsere Ansicht läuft dem Konsens zuwider und ist ziemlich unpopulär.“
Haben die Zentralbanken noch die richtigen Instrumente, um die Inflation zu bekämpfen?
„Sie haben nicht das Werkzeug, um einen Versorgungsschock bei Rohstoffen oder die Entstörung globaler Lieferketten zu kontrollieren, das ist sicher. Stagflationäre Kräfte sind also eindeutig schwer zu beherrschen. Stagflation ist ein Wirtschaftszustand mit niedrigem Wachstum und hoher Inflation.
Die Fed hat jedoch definitiv das richtige Werkzeug, um die Gesamtnachfrage in der Wirtschaft zu reduzieren. Wenn sie die Zinsen sehr schnell auf beispielsweise 5 % anheben würde, könnte die Inflation rasch gesenkt werden. Denn alles, was auf Kredit gekauft wird (was grosse Teile der Konsumwirtschaft ausmacht), wäre plötzlich viel weniger erschwinglich, sodass die Nachfrage sinken würde. Die Frage ist, ob sie dies tun kann, ohne eine sehr erhebliche Deflation der Vermögenspreise auszulösen und die Wirtschaft in eine schwere Rezession zu stürzen. Wir glauben, dass die Antwort auf diese Frage mit ziemlicher Sicherheit nein lautet.
Es ist also nicht so, dass die Zentralbanken nicht über die Instrumente verfügen, um die Inflation zu kontrollieren. Die Frage ist eher, ob die Zentralbanken mutig genug sind zu handeln und ob sie die unbeabsichtigten Folgen einer plötzlichen Straffung der Geldpolitik kontrollieren können.“
Wie sieht es mit Goldaktien aus? Wie haben sie sich vor diesem Hintergrund geschlagen?
„Sie haben sich ziemlich gut entwickelt. Das beste Beispiel für ihre relative Stärke war die jüngste Korrektur des Goldpreises. Zunächst stieg der Goldpreis Anfang dieses Monats auf über 2.000 US-Dollar je Feinunze, korrigierte dann aber um etwa 8 %. Wenn der Goldpreis so stark korrigiert, erwarten wir normalerweise eine Korrektur der Goldaktien von 10 % bis 15 %. Diesmal haben Goldaktien sogar den Goldpreis übertroffen, obwohl der Goldpreis gefallen ist, was sehr interessant ist.
Dies zeigt meines Erachtens, wie angeschlagen Goldaktien in den vergangenen 18 Monaten waren, und dass wir bereits wieder Anzeichen für ein Interesse an Goldaktien sehen.“
Einige russische Bergbauunternehmen wurden aus dem FTSE 100 ausgeschlossen. Hat sich das auf die Stimmung gegenüber Bergbauunternehmen ausgewirkt?
„Jedenfalls nicht so, dass man dies an der Kursentwicklung ablesen könnte. Der breite Index der Goldminenaktien ist seit Jahresbeginn wahrscheinlich um etwa 13 % gestiegen, und in diesem Bereich sind die russischen Produzenten in einigen Fällen um mehr als 90 % gefallen.
Ihr Ausschluss hat wahrscheinlich die Nachfrage nach Goldminenunternehmen mit Betrieben in anderen Schwellenländern erhöht. Ich denke zum Beispiel, dass südafrikanische und südamerikanische Produzenten davon profitiert haben.
Aber in Bezug auf die Nachfrage insgesamt gab es keine merklichen Auswirkungen.“
Sehen Sie Anzeichen für künftige negative Schocks für Gold?
„Der offensichtlichste negative Schock für Gold wäre kurzfristig eine viel straffere Geldpolitik als erwartet, sozusagen ein echter Paul-Volcker-Moment. Volcker war in den 1970er-Jahren Vorsitzender der Fed. Damals versuchte er in einem drastischen Schritt, die Inflation einzudämmen, indem er die Zinssätze auf 20 % erhöhte.
Ein weiterer negativer Schock wäre, wenn die russische Wirtschaft vollständig zusammenbrechen würde und das Land seine Goldreserven zu Geld machen müsste (und dazu in der Lage wäre).
Ich halte beide Szenarien derzeit für unwahrscheinlich.“
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